Das Schweizer Arbeitsrecht ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel flexibler, wenn es um das Entlassen von einzelnen Mitarbeitern geht. Die rechtlichen Kündigungsfristen gelten sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Unternehmen sind nicht dazu verpflichtet, pro Dienstjahr (mindestens) ein Monatsgehalt auszuzahlen, wie es in bestimmten Ländern je nach Entlassungsgrund der Fall ist. In diesen Ländern ist es also ziemlich teuer, Mitarbeiter zu entlassen, die etwa zehn Jahre oder länger im Dienst des Unternehmens sind. In der Schweiz dagegen gilt ab zehn Dienstjahren eine gesetzliche (Mindest)Kündigungsfrist von drei Monaten, wodurch es natürlich wesentlich günstiger ist, langjährige Mitarbeiter zu entlassen.
Die strengen Voraussetzungen erklären unter anderem, warum in anderen Ländern temporäre Arbeitsverträge üblicher sind als in der Schweiz. Da in der Schweiz auch fest angestellte Mitarbeiter relativ kostengünstig und ohne allzu grosse Aufwände und Begründungen entlassen werden können und die Kündigungsfrist während der Probezeit zum Beispiel nur eine Woche beträgt, wird Kandidaten in der Schweiz schneller ein unbefristeter Vertrag angeboten. Es gibt selbstverständlich viele weitere Gründe, aber diese Flexibilität ist auch ein Grund für die niedrige Arbeitslosigkeit in der Schweiz (stabil im tiefen einstelligen Bereich).
Unternehmen können diese Flexibilität aber auch weiter zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie bessere Abfindungsbedingungen bieten als die Konkurrenz. Entweder sie verlängern die Kündigungsfristen oder sie bieten Mitarbeitern bei (einzelnen) Entlassungen ein oder mehrere Monatsgehälter als Abfindungssumme. Die Kosten, einen Mitarbeiter mit einem solchen Paket zu entlassen, sind selbstverständlich höher. Es kann aber einen durchaus positiven Einfluss auf den Ruf des Unternehmens haben, sowohl intern als auch extern. Dazu kann sich ein Unternehmen im «War for Talents» mit solchen Massnahmen von anderen unterscheiden und gut qualifizierte Kandidaten, denen mehrere Stellenangebote vorliegen, an sich binden. Es ist jedoch nicht empfehlenswert, mit solchen Abfindungssummen ohne Konditionen um sich zu werfen. Am besten werden Konditionen vereinbart, die auf bestimmten Fristen basieren oder die sich erst nach beispielsweise einem oder zwei Dienstjahren geltend machen lassen und nur unter gewissen Bedingungen ausbezahlt werden. Mitarbeiter, die entlassen werden, da sie überdurchschnittlich schlecht performen oder gegen Regeln oder sogar Gesetze verstossen, sollen natürlich nicht belohnt werden. Es empfiehlt sich, alles gut schriftlich festzuhalten und mit den Anwälten zu prüfen.
Solche Vereinbarungen bei Neueinstellungen anzubieten und bei bestehenden Mitarbeitern nachträglich einzuführen, kann sich auch durchaus positiv auf die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter auswirken. Zudem fühlen Mitarbeiter sich bei Entlassungen, für die sie wenig oder nichts können, besser geschützt und nicht im Stich gelassen. Beispiele sind Kostenreduktionen, Headcount-Einschränkungen (durch den Hauptsitz im Ausland aufgelegt), eine Verlegung des Geschäftssitzes, die Verlagerung der Tätigkeiten des Mitarbeiters ins Ausland, eine Übernahme der Firma usw. So ergeben sich also auch für Mitarbeiter klare Vorteile.
Kandidaten, denen mehrere Angebote vorliegen, oder im Allgemeinen aus einer komfortablen Position die Stelle wechseln, können natürlich auch selber während den Gehaltsverhandlungen solche Vereinbarungen vorschlagen. Es lässt sich jedoch empfehlen, vor allem bei der Kündigungsfrist nicht übertrieben zu verhandeln, auch wenn der neue Arbeitgeber bereit wäre, auf die Wünsche einzugehen. Sollte eine Person mit einer überdurchschnittlich hohen Kündigungsfrist nämlich selber wieder auf die Suche gehen, würde diese zum Nachteil werden, wenn ein potenzieller Arbeitgeber nicht so lange warten könnte oder möchte. Eine Kündigungsfrist von beispielsweise sechs Monaten zu verhandeln für eine Position, in der drei Monate üblich wären, könnte also bei einer späteren Jobsuche zum Verhängnis werden. Besser ist es, sich für eine Entschädigung einzusetzen.
Bitte beachten Sie, dass es sich in diesem Beitrag um Entlassungen handelt, die nicht als Massenentlassung gelten und dass alle Hinweise auf Personen sowohl männlich als auch weiblich zu verstehen sind.
Autor: Lucas Diederen, Managing Partner bei talentzip
5 Antworten zu «Abfindungsvertrag verhandeln: Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen»
Vielen dank für den tollen Artikel und die ausführliche Information. Denke das der Artikel ziemlich hilfreich sein wird.
Gruß Anna
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