In einer Welt, in der Gleichberechtigung grossgeschrieben wird, sollten Wörter wie Geschlechtertrennung oder rassistische Diskriminierung keinen Platz haben. Die Realität sieht leider anders aus – und auch die Arbeitswelt bleibt davon nicht verschont. Gerade in diesem Lebensbereich werden ausländische Stellensuchende immer wieder aufgrund ihres fremd klingenden Namens benachteiligt.
Wie sich zeigt, geschieht dies immer häufiger zu Unrecht, da diese Personen vermehrt auch über eine hoch qualifizierte Ausbildung verfügen. Trotzdem sind diese Ausländerinnen und Ausländer öfter arbeitslos gemeldet als Schweizer Bürger. Wie kann also diesem Problem entgegengewirkt werden? Eine Lösung könnten anonymisierte Bewerbungen bieten.
Mehr Chancengleichheit dank Anonymität
Da eine intensive Auseinandersetzung mit einzelnen Bewerbungsdossiers gerade in kleinen Unternehmen aufgrund der fehlenden Zeit erschwert wird, landen potentielle Kandidaten mit Migrationshintergrund schnell auf dem «Leider-Nein-Stapel». Wenn nun aber der Bewerber auf die Angabe seines Namens und Herkunft verzichtet, wird die objektive Sichtweise des Arbeitgebers geschärft und leistungsrelevante Kriterien wie Kompetenzen und Motivation fallen ins Zentrum. Weil der erste Eindruck anonym bleibt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit für eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Erst hier werden dann die persönlichen Informationen nachgeliefert. Welche Vor- und Nachteile eröffnen sich sowohl für den Bewerber als auch für das Unternehmen, wenn sie auf ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren setzen? Hier einige Fakten:
Pro:
- Chancengleichheit: Auch Bewerber, die mit Vorurteilen zu kämpfen haben, erhalten die Chance, mit ihren Qualifikationen zu überzeugen
- Vielfalt: Es können neue Bewerbergruppen erschlossen werden, da keine personenbezogenen Daten bekannt sind.
- Performance: Verzichtet das Unternehmen auf ein diskriminierendes Vorgehen und setzt stattdessen auf Vielfalt, wird dessen Performance verbessert.
Contra:
- Berufsanfänger: Bewerber, die noch wenig Erfahrung haben, können sich noch nicht genügend mit ihren Qualifikationen hervorheben.
- Verschiebung: Es wird kritisiert, dass die Diskriminierung nicht beseitigt, sondern bloss in den nächsten Schritt des Bewerbungsprozesses verschoben werde.
- Individualität: Es ist nicht immer aussagekräftig, allein die Leistungen zu bewerten. Individueller Berufsweg und persönliche Umstände können häufig einen ausschlaggebenden Punkt ausmachen.
- Spezifische Stellen: Für Führungspositionen und Kreativstellen ist die Anonymität eines Bewerbers eher hinderlich.
- Optionalität: Solange es nicht für alle Bewerber nur die Möglichkeit einer anonymen Bewerbung gibt, werden gewöhnliche Bewerbungen nach wie vor bevorzugt, da die Anonymität wiederum auf mögliche Diskriminierungsmerkmale schliessen lässt.
Konkrete Durchsetzung scheitert
Trotz der Tatsache, dass sich das Verfahren sowohl für Bewerber als auch für den Arbeitgeber positiv auswirken kann, scheitert es häufig an der konkreten Durchsetzung. Obwohl das Pilotprojekt «smart selection» des Kaufmännischen Verbandes (KV) im Jahr 2008 belegen konnte, dass ausländische Jugendliche mit einer anonymen Bewerbung tatsächlich eine höhere Chance auf eine Lehrstelle hatten, konnte sich die Methode in der Schweiz bisher nicht etablieren. Während in den USA anonyme Bewerbungen bereits zum Standard geworden sind, bleibt es hierzulande häufig bei Versuchen. Die Arbeitgeber begründen dies mit dem noch fehlenden Vertrauen in dieses Verfahren, es fehle schlichtweg an der Erfahrung.
Quellen: