Darf oder soll man in einem Bewerbungsschreiben die Du-Form wählen, wenn das Stelleninserat ebenfalls in der Du-Form verfasst ist? In der Redaktion haben wir gerade vor kurzem diese Frage diskutiert. Der Anlass war ein Inserat einer Agentur, die «frech» und «jung» daherkam und die Stellensuchenden eben in der Du-Form ansprach. Ist es in diesem Fall in Ordnung, die Du-Form zu wählen oder wird das sogar erwartet?
Nicht nur «junge» und «freche» Agenturen duzen die Stellensuchenden. Auch Unternehmen wie die Swisscom, Apple und Ikea verfassen ihre Inserate in der lockeren Du-Form. Da fragt man sich als Bewerber natürlich: Soll ich die Adressantin im Bewerbungsbrief ebenfalls duzen?
Es kommt drauf an
Wenn Sie mit der Person, an die der Brief gerichtet ist, bereits Kontakt hatten, dann sollten Sie bei der bisherigen Anrede bleiben. Sprich: Wenn Sie die Empfängerin des Bewerbungsschreibens schon vorher gesiezt haben, dann ist die Du-Form des Inserats sicherlich nicht Anlass genug, im Bewerbungsschreiben zum Du zu wechseln.
Normalerweise hat man mit der Empfängerin der Bewerbung aber noch keinen Kontakt gehabt. In diesem Fall ist Fingerspitzengefühl gefragt. Wir in der Redaktion waren uns einig: Bewirbt man sich bei einem jungen Start-Up, das einen sehr lockeren Eindruck macht, dann ist die Du-Form nicht unpassend und wird wohl in den meisten Fällen sogar gern gesehen. Denn solche Firmen suchen wahrscheinlich nach Bewerbern, die, z. B. durch das Nutzen der Du-Form, eine gewisse Lockerheit zeigen. Wie sollte man aber das Bewerbungsschreiben verfassen, wenn man sich beispielsweise bei Apple bewirbt?
8careers.eu hat 2012 zum Thema «Anrede im Bewerbungsschreiben» eine Umfrage unter Unternehmen durchgeführt, die sehr interessante Ergebnisse brachte. Befragt wurden 46 Unternehmen in Deutschland und Polen, die ihre Stellenanzeigen in der Du-Form verfassten. Auffallend ist, dass nur sehr wenige (15%) dieser Unternehmen Bewerbungen in Du-Form «erwarten». Aber immerhin 60% der befragten Unternehmen gaben an, dass Bewerbungen in Du-Form «positiv auffallen». Andererseits fällt man bei 20% der Umfrageteilnehmer sogar «negativ» auf mit einer solchen Bewerbung.
Wird in einer Stellenanzeige geduzt, ist das also nie Grund genug, die Bewerbung auch in der Du-Form zu verfassen. Es kommt immer auf das Unternehmen bzw. sogar auf die Abteilung/Stelle an.
Aber auf was kommt es an?
Grundsätzlich kann/darf/soll in Bewerbungsschreiben an Unternehmen mit eher jungen Mitarbeitern und einer flachen Hierarchie eher geduzt werden. Auch die Branche ist relevant: In der Kreativbranche oder im Gastrobereich ist das «Du» auch in Bewerbungsschreiben eher akzeptiert oder üblich. Aber auch in diesen Fällen kommt es natürlich wieder auf das Unternehmen an: Wer sich als Angestellter bei einer Szenekneipe bewirbt, wird eher die Du-Form wählen als jemand, der seine Bewerbung an ein Luxusrestaurant schickt.
Und bei Apple? Mein Bauchgefühl: In diesem Fall würde ich die Sie-Form wählen. Warum? Schwierig zu sagen. Wahrscheinlich beruht mein Bauchgefühl einfach darauf, dass Apple ein etabliertes Grossunternehmen mit relativ festen Strukturen (auch mit grossen Lohnunterschieden) ist.
Übrigens sollten auch Bewerbungsschreiben, in denen man den Empfänger duzt, wenigstens gewisse formelle Bedingungen erfüllen. Auf allzu saloppe Begrüssungs- und Grussformeln sollte man in den allermeisten Fällen verzichten.