Im Interview mit Lina Bitzer (Teil 2): Wie personalisiere ich meine Bewerbungsunterlagen?

Im zweiten Teil unserer Interview-Reihe mit Lina Bitzer, einer von drei Geschäftsleitenden der NewPlacement Academy und Expertin in den Bereichen HR und Stellensuche, geht es darum, wie die Bewerbung individualisierter gestaltet werden kann.

Motivation: Das A und O jeder Bewerbung

Janine: Was kann ich tun, um den Recruiter von mir zu überzeugen bzw. welche Elemente müssen bei einer Bewerbung vorhanden sein?

Lina Bitzer: Recruiter müssen schnell erkennen, was diese/r Bewerbende kann (Fachkompetenzen) und was die Motivation für genau diese Stelle ist. Das MUSS ersichtlich sein, umso mehr, wenn die beworbene Stelle sich von meinem bisherigen Werdegang unterscheidet oder einfach gesagt, wenn der nächste Schritt nicht die logische Konsequenz ist aus meinem bisherigen Werdegang.

Beispiel: Bei einer Bewerbung auf eine Stelle, für die ich eigentlich überqualifiziert bin, fragen sich Personalverantwortliche möglicherweise: Weshalb möchte jemand von einer Bank zu einem NGO wechseln, wo man mit Sicherheit mit weniger Lohn rechnen muss? Warum möchte jemand aus einer Führungsposition nun als Sachbearbeiter/in arbeiten? Erkenne ich aufgrund der Sprache / Motivation auch, ob sich z.B. ein älterer Herr aus dem Management in seiner neu gewünschten Rolle als Fachspezialist von seiner zukünftigen jüngeren Vorgesetzten «etwas sagen lässt»? Oder erkenne ich anhand des überladenen CVs und der gewählten Sprache bereits eine dominante Persönlichkeit, die den Jüngeren zeigen will, wie es läuft?

Da spielen auch Themen wie Generationenkonflikt, Dominanz, Rollenverständnis und Gender eine nicht unwesentliche Rolle. Wenn diese Fragen in der Bewerbung offen bleiben, riskiere ich als Bewerbende/r, dass meine Bewerbung als «Alibi-Übung» interpretiert wird, was die Chancen auf eine Absage erhöht.

Auch z.B. bei einem Wechsel von der Selbstständigkeit in eine Festanstellung muss die Motivation dafür in den Bewerbungsunterlagen klar ersichtlich sein. Als HR frage ich mich sonst, wie es sich mit der zeitlichen Flexibilität, Konkurrenzsituation, Commitment etc. verhält. Die Motivation für eine Stelle ist absolut zentral und kann durch Darstellung, Foto und Informationen im Lebenslauf erkennbar gemacht werden. Auch hier ist der Perspektivenwechsel hilfreich.

Persönlichkeit zeigen

Janine:  Was ist noch nötig, um mit einer Bewerbung zu überzeugen?

Lina Bitzer: Da viele Bewerbende aufgrund unseres hohen Ausbildungsstandards ähnliche Qualifikationen aufweisen, kann die Persönlichkeit der entscheidende Faktor sein. Recruiter fragen sich zwangsläufig folgendes: Passt diese Person z.B. in ein Gross- /Kleinunternehmen oder in eine Firma, wo Geheimhaltung wichtig ist? Zusammengefasst: Passt der Kandidat / die Kandidatin zur Unternehmenskultur und -form?

Wie Watzlawick so schön gesagt hat «man kann nicht nicht kommunizieren». Eine Bewerbung in ihrer individuellen Form löst zwangsläufig Fantasien im Kopf des Lesers/der Leserin aus. Je nach Darstellung, Sprache, Informationsmenge etc. mache ich mir ein bestimmtes Bild dieser Person. Bewerbende können auf diese Fantasien Einfluss nehmen und sich aktiv überlegen, welches Image vermittelt wird bzw. werden möchte.

Wenn wir von Persönlichkeit im CV sprechen, heisst das Stichwort: Konkretisieren. Benutzen Sie nicht die gängigen Schlagwörter und reihen Sie sich nicht unter die Stereotypen ein. Schreiben Sie bei den Hobbies z.B. «Ich bekoche gerne meine Familie und Freunde und achte dabei auf gesunde, lokale und saisonale Produkte» anstelle von nur kochen. Damit zeigt man nicht nur, dass Wert auf gesunde Ernährung gelegt, sondern auch ein aktives Sozialleben gepflegt wird. Beides kann mir Hinweise geben, z. B. auf die Belastbarkeit einer Person. Je nach Stelle kann das sehr wichtig sein. Kranke Mitarbeitende kosten ein Unternehmen bekanntlich sehr viel Geld.

Janine: Der Lebenslauf sollte also nicht einfach standard sein?

Lina Bitzer: Genau. Das Dossier ist auch eine Arbeitsprobe. Darin kann ich zeigen, was ich kann und wer ich bin. Beispiel: Bewerbe ich mich auf eine Stelle, für die der schriftliche Ausdruck wichtig ist, sollte ich die eigene Sprachgewandtheit bereits in der Bewerbung zeigen. Dasselbe gilt natürlich auch bei aufgeführten Eigenschaften wie «flexibel» oder «genau». Wenn die unterschiedlichen Dokumente der Bewerbung mit unterschiedlichen Schriftarten geschrieben werden oder die Zeitangaben der Anstellungen im gleichen CV einmal mit 05.2000-1.03 einmal mit Juni 05 bis Sept 2010 angegeben werden, unterstützt das nicht die gepriesene Genauigkeit.

Je enger der Job mit dem einhergeht, was das Dossier zu bieten hat, desto besser. Allgemein sind die Ansprüche an die Fähigkeiten einer Person je nach Job unterschiedlich, genauso natürlich auch die Ansprüche an eine professionelle Bewerbung. Je mehr für die Stelle erwartet wird, desto besser sollten die Kompetenzen, die Motivation und die Persönlichkeit sichtbar gemacht werden (z.B. Text, Sprache, Layout, Anzahl und Qualität der Anhänge). Auch da gilt es sich zu fragen: «Welches Image möchte ich mit meiner Bewerbung vermitteln»?

Feedback einholen

Ob mir die Übermittlung dieses Image auch gelingt, erfahre ich, indem ich mir Feedbacks von anderen einhole. Dabei gilt es, den grössten gemeinsamen Nenner zwischen den Feedbacks zu finden. Habe ich 80% Zustimmung beim Foto? Überzeugt das Kurzprofil nur 50% meiner Feedback-Partner/innen? Diese Zahlen geben mir Orientierung. Eine 100% Übereinstimmung der Meinungen ist höchst unwahrscheinlich. Deshalb ist eine Quote ab 70 – 80% schon aussichtsreich. Diese Teile kann ich dann sein lassen und mich auf diejenigen konzentrieren, die noch zu wenig überzeugen. Da es jedoch auch sehr verwirrend sein kann, verschiedene Feedbacks zu erhalten, die dann möglicherweise sehr unterschiedlich ausfallen, ist es bei der Gestaltung des Dossiers hilfreich, sich selber durch folgende 4 Fragestellungen leiten zu lassen:

  • Was stärkt mein Profil für diese Stelle?
  • Was ist authentisch? (Wiederkennungseffekt, Persönlichkeit)
  • Was ist relevant?
  • Was ist aktuell?

Strategisch gegen Zweifel und Vorurteile vorgehen

Janine: Was ist mit dem letzten Punkt gemeint?

Lina Bitzer: Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es bei der Gestaltung der Bewerbung sehr wichtig, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen.

  • Was interessiert diesen Recruiter bei dieser Bewerbung?
  • Welche Vorurteile könnte meine Bewerbung auslösen?
  • Wo könnte es Unklarheiten geben?

Grundsätzlich gilt es, die eigene, aktuelle Situation und Person aus der Sicht des HR zu reflektieren und daraufhin überlegen, was ich im Lebenslauf erwähnen soll. Sagen wir, ich heisse Heidi Müller, bin Schweizerin und über 40 Jahre alt. Dann muss nicht zwingend erwähnt werden, dass ich die Primar- und Sekundarschule in Zürich besucht habe. Der CV hat wichtigere Infos zu bieten. Wenn ich aber einen ausländischen Namen habe, dann kann es schon relevant sein, mitzuteilen, dass ich Ausländer/in mit Aufenthaltsbewilligung C bin und seit der Geburt in der Schweiz wohne. Auch dass ich die gesamte Schul- und Berufsausbildung in der Schweiz absolviert habe, hat dann einen anderen Stellenwert und kann helfen, allfällige Bedenken bezüglich Sprachkompetenz oder kulturelle Integrationsfähigkeit abzuschwächen.

Oder wenn ich z.B. aus einer gut bezahlten Branche komme und mich in einer weniger gut bezahlten Branche / Stelle bewerbe, dann macht es Sinn, auch eigene Lohnvorstellungen anzugeben. Dabei muss es nicht zwingend eine Zahl sein, sondern vielmehr ein Range x – y plus die Info, dass es vom Gesamtpaket abhängig ist. Oder es reicht auch einfach die Info, dass ich eine branchen-, resp. stellenbezogene Entlohnung wünsche, welche in die Lohnstruktur des Unternehmens passt. Diese Infos sind eine strategische Entscheidung und können dazu dienen, möglichen Fragen, Vorurteilen oder Zweifeln schon von Anfang an entgegenzuwirken. Das heisst, ein CV sollte immer personenbezogen und individuell sein.

Überlegen Sie sich, welche Stolpersteine es in Ihrer Bewerbung geben könnte (Perspektivenwechsel) und schaffen Sie diese aus dem Weg, um das Risiko für das Gegenüber kalkulierbar zu machen. Dafür muss mir bewusst sein, welche Vorurteile ich auslöse. Anstatt beleidigt zu sein, sollte ich mir überlegen, wie ich die Zweifel aus dem Weg räumen könnte. Vorurteile und Zweifel sind menschlich, das sollte ich akzeptieren, damit ich konstruktiv mit ihnen umgehen kann.

Zur Person Lina Bitzer

Meine Interviewpartnerin Lina Bitzer ist eine von drei Geschäftsführenden der NewPlacement Academy und Verantwortliche der HR-Abteilung. Sie ist seit 13 Jahren mit Herzblut in der Arbeitsmarktintegration tätig. Da sie ihr Team selber rekrutiert, ist es ihr sehr wichtig, die Arbeitsrealität ihrer Mitarbeitenden genau zu kennen. Deshalb übernimmt sie immer wieder auch die Rolle als JobCoach und führt Kurse, Module und Coachings in den verschiedenen Bildungsinstitutionen selber durch. Dadurch kennt sie beide Seiten seit vielen Jahren aus erster Hand: die der Jobsuchenden und die der Personaler.

3 Antworten zu «Im Interview mit Lina Bitzer (Teil 2): Wie personalisiere ich meine Bewerbungsunterlagen?»

  1. […] das wirklich?“, „Bin ich wirklich auf dem richtigen Weg?“ In vielen Dossiers ist einfach die Motivation nicht oder zu wenig erkennbar. Die Stellensuche ist ein Prozess, bei dem manchmal die […]

  2. […] können Sie im Lebenslauf geschickt nutzen und ebenfalls auf die Jobausschreibung anpassen. Konkretisieren Sie ein Hobby wie zum Beispiel «Kochen: Ich koche gerne saisonal und frisch». Sie können zudem (echte) Interessen wählen, welche zur Stelle passen. Bewerben Sie sich zum […]

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