Zwei kritisch blickende Personen sitzen vis-à-vis von Ihnen am Sitzungstisch und löchern Sie mit Fragen, auf die Sie möglichst sympathische, professionelle und fachlich korrekte Antworten geben sollen. Kennen Sie die Situation? Ein klassisches Bewerbungsgespräch. Wird es solche Situationen auch in Zukunft noch geben? Kürzlich sind Stimmen laut geworden, die meinen, dass das klassische Bewerbungsgespräch abgeschafft werden soll, da es zu wenig objektiv sei. Tatsache?
«The Utter Uselessness of Job Interviews«: Als ich den Titel des Artikels in der New York Times las, dachte ich: Wie soll ich denn bitte ohne Bewerbungsgespräch die Person kennenlernen, mit der ich zukünftig zusammenarbeiten soll? Was also soll an Job-Interviews so «utter useless», also total unnütz sein?
Jason Dana, Assistenzprofessor für Management und Marketing an der Yale School of Management und Autor des Artikels argumentiert, dass die Meinung von Personalverantwortlichen durch Bewerbungsgespräche zu stark vom ersten Eindruck der Kandidaten getrübt werden und nicht mehr objektiv entscheiden können.
Gut, der erste Eindruck ist, wie wir auch in unseren Beiträgen immer wieder darauf hinweisen, beim Vorstellungsgespräch entscheidend. An der Sache ist also sicher was dran.
Das Argument wird mit einem Experiment untermauert, bei dem Studierende voraussagen mussten, wie Ihre Kommilitonen im nächsten Semester abschneiden werden. Sie erhielten den Stundenplan fürs nächste Semester und die Noten vom Vorherigen. Ein Teil führte zusätzlich Interviews durch. Interessanterweise schätzten diejenigen Ihre Kommilitonen besser ein, welche sie nicht getroffen haben. Ausserdem hatten jene das Gefühl, die Person besser kennenzulernen, welche ihnen im Interview randomisierte Antworten anstelle von ehrlichen gaben.
Das klassische Bewerbungsgespräch ist also zu subjektiv. Was hilft dagegen? Danas Lösung lautet: strukturierte Vorstellungsgespräche. Jeder Kandidat und jede Kandidatin sollte demnach die gleichen Fragen zu Ohren bekommen. Ein bisschen plaudern und wahllos drauflos fragen sei nicht zielführend.
Ok, ich verstehe den Punkt mit der Subjektivität und dass dadurch vielleicht nicht die Kandidaten mit den besten Skills ausgewählt werden. Das mag für gewisse Positionen definitiv suboptimal sein. Wie allerdings kann man so herausfinden, ob gerade in kleinen Teams der Kandidat oder die Kandidatin ins Team passt? Je nach Unternehmen oder Team ist dies genauso wichtig wie Kompetenzen und Skills. In diesem Fall ist Subjektivität also sogar gewollt. Objektivität in Bewerbungsgesprächen ist also nicht das absolute Ziel für alle Unternehmen und das unstrukturierte Interview wird so schnell nicht abgeschafft werden. Damit findet sich auch Dana in seinem Artikel ab, wenn auch wohl nur widerwillig.