Sexistische Sprüche und unauffällige Berührungen gehören in der Schweiz zum Arbeitsalltag. Die NZZ berichtete von einer Studie mit 2’400 Arbeitnehmern von denen rund 50 Prozent schon einmal Opfer einer sexuell belästigenden Verhaltensweise waren.
Aufnahmen von Donald Trump mit frauenfeindlichen Aussagen gingen viral und immer mehr Frauen meldeten sich zu Wort und warfen dem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten sexuelle Belästigung und Übergriffe vor. Auch in der Schweiz verleiht der Trump-Skandal dem Thema Sexismus neue Brisanz. Ganz nach dem amerikanischen Vorbild #notokay berichten Schweizerinnen auf der Social Media Plattform Twitter unter dem Hashtag #SchweizerAufschrei wie sie Opfer von Sexismus wurden.
Die abgewählte Nationalrätin Aline Trede erhebt schwere Vorwürfe gegenüber einem ehemaligen Kollegen, dies berichtete Tele M1. Der beschuldigte Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät verteidigt sich und sagt, dass er ihr lediglich ans Bein gefasst habe und deshalb nicht von sexueller Belästigung die Rede sein kann. Doch wann spricht man von sexueller Belästigung?
Wo lässt sich die Grenze ziehen?
Sexuelle Belästigung kommt immer sehr stark auf die Situation an und wie die involvierten Personen zueinander stehen. Deshalb kann keine Grenze gezogen werden, die immer gilt. Jeder und jede muss selber für sich die Grenze ziehen und entscheiden was tolerierbar ist. Während eine Aussage für jemanden ein Kompliment darstellt, empfindet es ein anderer womöglich als sexueller Angriff.
Wie lässt sich ein harmloser Flirt und sexuelle Belästigung unterscheiden?
Um sexuelle Belästigung handelt es sich, wenn das gegenseitige Einverständnis fehlt. Insbesondere im Arbeitsumfeld kommt es oft zu sexuell belästigenden Verhaltensweisen. Ein grosser Altersunterschied oder ein bestehendes Machtgefälle – wie dies zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oftmals der Fall ist – können einen Einfluss haben. Denn schlussendlich entscheidet alleinig das Empfinden der potenziell belästigten Person, ob es sich um sexuelle Belästigung handelt oder nicht. Definitionsgemäss wird jegliche Art von Diskriminierung des Geschlechts als Sexismus bezeichnet. Dies kann sich mit anzüglichen Bemerkungen in Bezug auf das Aussehen, Verhalten oder die sexuelle Orientierung äussern oder aber auch in unerwünschtem Körperkontakt und Annäherungsversuchen zeigen.
Wie sieht die Rechtslage aus?
Aus strafrechtlicher Sicht stellt nicht jede Äusserung, die sich auf das Aussehen einer Person bezieht eine sexuelle Belästigung dar. „Diese Jeans steht dir super“, ist rechtlich gesehen noch keine sexuelle Belästigung. Nach Strafgesetzbuch sind verbale Äusserungen erst strafbar, wenn sie in grober Weise erfolgen, wie Äusserungen zu Geschlechtsteilen. Geschlechterforscherin Laura Eigenmann der Universität Basel findet aber, dass Komplimente zur Kleidung in einem professionellen Umfeld immer etwas heikel sind, da der Körper meist irrelevant für den Arbeitsalltag sei. Selbst Bemerkungen wie „geile Figur“ sind gemäss Gerichtspraxis nicht tatbeständig. Ein weiterer Punkt ist, dass sexuelle Belästigung nach Strafgesetzbuch nur vorsätzlich begangen werden kann. Wenn also jemand dazu neigt dem Gegenüber an die Schultern zu fassen, dabei aber keine Hintergedanken hat, kann nicht von sexueller Belästigung gesprochen werden. Wenn hingegen das Gegenüber ausdrücklich sagt, dass dies als unangenehm empfunden wird, verändert sich die Sachlage. Doch welche rechtlichen Massnahmen können in diesem Fall überhaupt ergriffen werden?
Was kann ich im Fall von Sexismus am Arbeitsplatz unternehmen?
Belästigte sollten sofort reagieren und äussern, dass sie das Verhalten des Gegenübers als unangemessen empfinden. Denn dem Täter muss klar aufgezeigt werden, dass er eine Grenze überschritten hat, die nicht toleriert wird. Auch der Vorgesetzte oder die Vorgesetzte sollte in heiklen Situationen informiert werden. Sollte sich intern jedoch dadurch nichts ändern, kann eine strafrechtliche Anklage in Betracht gezogen werden. Dies muss jedoch spätestens drei Monate nach erfolgter sexueller Belästigung sein. Falls der Arbeitgeber Ihr Anliegen nicht ernst nimmt, kann auch ein Verfahren ihm gegenüber eröffnet werden, da er verpflichtet ist präventive Massnahmen zur Verhinderung sexueller Belästigung zu ergreifen.
Sind nur Frauen von Sexismus betroffen?
Eine repräsentative Studie der Universität Lausanne zeigt auf, dass längst nicht immer Männer die Täter und Frauen die Opfer sexueller Belästigungen sind. Allerdings sind Frauen häufiger betroffen und Männer öfters die Täter. Gesamtschweizerisch finden sich in 16,6 Prozent aller Fälle Frauen in der Täterrolle. Die mediale Debatte über Sexismus lässt Stimmen laut werden, die die Reaktion vieler Frauen als zu „empfindlich“ einstufen. Während Frauen jedoch als „empfindlich“ oder zickig gelten, werden Männer, die für sich selber einstehen, auch in dieser Debatte als mutig bezeichnet.
Quellen: www.nzz.ch, 100000jobs.ch Blog, www.aargauerzeitung.ch, www.ebg.admin.ch