Angesichts des in der Schweiz vorherrschenden Lehrermangels ist der Lehrerberuf heute gefragter denn je. Doch noch immer herrschen ganz falsche Vorstellungen von diesem anspruchsvollen Beruf. Um dem entgegenzuwirken, hat sich der jobundkarriereblog vorgenommen, ein Interview mit einer Primarlehrperson durchzuführen und so einen exklusiven Einblick in den Lehrerberuf zu geben. Lesen Sie hier, was es mit diesem spannenden Beruf tatsächlich auf sich hat.
Fangen wir mit einer einfachen Frage an: Warum wolltest du Lehrerin werden, Martina?
Ich wollte schon immer gern mit Kindern arbeiten, wusste aber nicht, in welche Richtung es gehen sollte. Da ich jedoch immer gern zur Schule ging, sehr viele positive Erinnerungen aus meiner Schulzeit habe und mir ausserdem viel an der Bildung junger Menschen liegt, wurde mir schnell klar, dass es nur naheliegend ist, ein Studium an der Pädagogischen Hochschule (PH) in Angriff zu nehmen. Als Lehrperson habe ich einen sehr grossen Einfluss auf die Zukunft der Kinder und somit unserer Gesellschaft und leiste so tagtäglich einen sehr wertvollen gesellschaftlichen Beitrag. Das macht mich stolz. Ausserdem liegt mir die Arbeit mit kleinen Kindern einfach, weshalb ich mich letztendlich für das Unterrichten auf Primarstufe entschieden habe.
Du schwärmst ja förmlich vom Lehrerberuf. Doch ich kann mir vorstellen, dass es auch negative Seiten gibt…
Ja, in der Tat…ich liebe meinen Job, doch es gibt auch viele Aspekte, die mir nicht besonders gefallen bzw. liegen. Hierzu gehören beispielsweise die vielen administrativen Tätigkeiten oder schwierige Elterngespräche – Konflikte mit Eltern wurden im Studium nur am Rande thematisiert –, aber auch die zahlreichen Weiterbildungen, die man als Lehrperson in der Freizeit absolvieren muss. Als Lehrperson muss man wirklich ein Allrounder sein. Das kann ganz schön anstrengend sein.
Um den Lehrerberuf kreisen ja so einige Behauptungen und Klischees. Mit welchen Adjektiven würdest du als Primarlehrerin den Beruf beschreiben?
Hmm, mal überlegen…ich würde sagen: herausfordernd, aufregend, dankbar.
“Lehrer sind faul und haben viel Ferien.” Regen dich solche Aussagen auf? Wie gehst du damit um?
Solche Aussagen bekomme ich tatsächlich regelmässig von „Nicht-Lehrpersonen“ zu hören. Als Lehrperson darf man gar nicht faul sein, sonst leidet die Qualität des Unterrichts. Die meisten Lehrepersonen leisten regelmässig Überstunden. Es ist keineswegs so, dass ich um 8 Uhr morgens anfange und um 16 Uhr nach Hause gehen kann. An den meisten Tagen bin ich bis ca. 19 Uhr an der Schule, zum Beispiel aufgrund von Elterngesprächen, Sitzungen, Vor- und Nachbearbeitungen von Lektionen oder sonstigen Projekten. Und auch am Wochenende muss manchmal an einem Tag durchgearbeitet werden. Wenn man seine Arbeit tatsächlich richtig macht, haben Lehrpersonen im Schnitt 5.4 Wochen Ferien, also kaum mehr als die meisten Arbeitnehmer. Mittlerweile rege ich mich aber nicht mehr über solche Aussagen auf und diskutiere auch nicht mehr mit den Leuten.
Lehrpersonen haben also nicht mehr Freizeit? Schliesslich entfällt der Unterricht während der Schulferien ganz…
Wie gesagt, das hängt immer davon ab, wie viel Zeit eine Lehrperson in die Vor- und Nachbearbeitung der Lektionen, Schülerbewertungen usw. steckt. Natürlich gibt es auch hier, wie in jedem Beruf, einzelne schwarze Schafe, die tatsächlich fast 13 Wochen im Jahr Ferien machen und auch am Wochenende kaum Zeit für die Arbeit aufopfern. Die meisten Lehrpersonen jedoch sind keine Minimalisten, sondern äusserst engagiert. Mir zum Beispiel ist es enorm wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst gut vom Unterricht profitieren. Und um dies zu gewährleisten, muss man als Lehrperson nun mal einiges an Arbeit in den Unterricht stecken. Ausserdem: Jeder Schüler, jede Schülerin ist anders, jede Klasse ist anders. Dem muss ich gerecht werden.
Klingt anstrengend. Dafür kannst du dir aber die Zeit oft auch frei einteilen und auch der Arbeitsplatz ist nicht immer fix. Siehst du das nicht als klaren Vorteil?
Es stimmt, dass wir im Vergleich zu vielen anderen Berufen mehr Zeitfenster haben, die wir selbst gestalten können – vor allem während der Schulferien. Das schätze ich sehr. Dies hat aber auch seine Nachteile. Besonders zu Beginn der Karriere kann es schwierig sein, den tatsächlichen Arbeits- und Zeitaufwand einzuschätzen. Zudem fällt es mir persönlich noch schwer, die beiden Sphären Arbeit und Privatleben klar voneinander zu trennen. Da muss man aufpassen, weil sonst die Gefahr besteht, dass das Leben nur noch aus dem Beruf besteht. Auch ich muss noch lernen, in meiner Freizeit wirklich abzuschalten.
Let’s talk about money.
Oh je…(lacht)
Nein, im Ernst: Der Lohnvergleich mit anderen Branchen zeigt ganz deutlich, dass das Lehrergehalt – insbesondere für BerufseinsteigerInnen – relativ hoch ist, vor allem im Kanton Zürich. Würdest du dem widersprechen?
Grundsätzlich würde ich dem nicht widersprechen. Der Lehrerberuf gehört zu den Sozialberufen, und wenn man die Löhne in diesem Bereich vergleicht, bewegt sich das Salär tatsächlich über dem Durchschnitt. Dennoch ist das Gehalt mehr als gerechtfertigt angesichts der Berufsanforderungen und der gesellschaftlichen Relevanz dieses Berufes. Aber dass Lehrpersonen reich sind, das ist Blödsinn. Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass der Lohn je nach Kanton auch stark schwanken kann.
Seit Jahren kämpft die Dachorganisation der Lehrerinnen und Lehrer für einen Lohnanstieg. Würdest auch du dich für eine Lohnerhöhung aussprechen?
Mir persönlich ist der Lohn nicht sehr wichtig, bis jetzt bin ich zufrieden. In erster Linie bin ich Lehrerin, weil dies meine Leidenschaft ist. Vielleicht bin ich aber einfach noch etwas naiv, schliesslich arbeite ich erst seit einigen Monaten in diesem Beruf.
Glaubst du, dass sich der Arbeitsaufwand mit den Jahren verringern wird?
Ich denke schon, dass die ersten zwei, drei Jahre anstrengender sind, mit der Routine sollte es dann einfacher werden. Aber keineswegs “einfach”, denn das Unterrichtsmaterial muss stets angepasst werden. Man kann nicht, wie viele behaupten, immer nur Unterlagen aus den vorherigen Jahrgängen hervorkrempeln und einfach wiederverwenden. Das Material muss mindestens der neuen Klasse angepasst, meistens sogar ganz ersetzt bzw. neu konzipiert werden.
Welche Aufgabe als Primarlehrerin stellt für dich die grösste Herausforderung dar?
Eine ganz besondere Herausforderung stellen für mich die Elterngespräche dar. Die Tatsache, dass ich an einer QUIMS-Schule* unterrichte, macht das Ganze noch komplizierter, da nicht alle Eltern der deutschen Sprache mächtig sind. Es kommt schon mal vor, dass ich an einem Abend zwischen gebrochenem Deutsch, Englisch und Serbisch – ich selbst habe einen zweisprachigen Hintergrund – hin- und herswitchen muss. Das ist anstrengend, und es kommt auch öfters zu Missverständnissen.
Was würdest du angehenden Lehrpersonen oder Leuten, die über eine Karriere als Lehrerin oder Lehrer nachdenken, raten?
Bloss nicht auf die leichte Schulter nehmen! Sowohl das Studium an der PH als auch der Lehrerberuf an sich sind äusserst anspruchsvoll – auch wenn das Studium an der PH gern als…wie sagt man so schön… “chillig” bezeichnet wird. Und als Lehrperson hat man kein “Schoggi-Leben”, sondern man leistet Knochenarbeit. Man muss schon sehr belastbar sein, wenn man sich für diesen Beruf entscheidet – unabhängig von der Stufe. Und flexibel, denn jeder Tag bringt seine neuen und teils unerwarteten Herausforderungen. Aber: Der Aufwand ist es auf jeden Fall wert, der Beruf gibt einem so viel zurück. Die schönen Momente überwiegen definitiv, und wenn man wirklich eine Leidenschaft für diesen Beruf hat, sollte man ihn auch wählen.
Martina, vielen Dank für diesen spannenden Einblick in den Lehrerberuf!
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*Die Abkürzung QUIMS steht für Qualität in multikulturellen Schulen und wird im Zusammenhang mit Schulen, welche eine ausgeprägt multikulturelle Zusammensetzung besitzen, verwendet. (Quelle: Volksschulamt Zürich)
Martina Schneider* ist seit August 2018 Primarlehrperson an einer QUIMS-Schule im Kanton Zürich. Als Berufseinsteigerin sieht sich die junge Lehrerin mit ganz besonderen Herausforderungen konfrontiert. Für den jobundkarriereblog hat sie sich dazu bereit erklärt, uns etwas über den äusserst herausfordernden Lehrerberuf zu erzählen. Vielen Dank für dieses spannende Interview!
*Name geändert